Samstag, 20. September 2014

Long Way Home - Chapter 5

Song zu diesem Kapitel: So Cold - Ben Cocks

Cait

„Was? Ähm... das... tut mir Leid. Hätte... hätte ich das gewusst, hätte ich das bestimmt nicht gefragt.“ „Ist schon in Ordnung. Es ist ja nicht deine Schuld. Es ist meine.“ Bei diesem Satz spürte ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. „Wieso sagst du denn sowas?“ „Es... ich... also sie ist bei meiner Geburt gestorben. Ich habe schon mein Leben lang deswegen Schuldgefühle. Wäre ich nicht gewesen, dann wäre meine Mutter auch nicht gestorben. Verstehst du? Ich bin daran Schuld.“ Meine Tränen konnte ich nun wirklich nicht mehr zurückhalten, doch ich gab mir auch gar keine Mühe. Ich trug diese Gefühle schon 17 Jahre lang mit mir herum und irgendwann musste ich sie schließlich rauslassen. „Es ist alles gut. Das ist nicht deine Schuld, hörst du? Du kannst dafür nichts“, versuchte Finn mich zu beruhigen, während er mich in den Arm nahm und mir in regelmäßigen Abständen über den Rücken strich. Ich lehnte mich an seine Brust und ließ meinen Tränen freien Lauf. „Mein Vater glaubt sogar, dass ich dafür verantwortlich bin. Wieso sollte er mich sonst so vernachlässigen? Ich habe mich bis heute nicht einmal getraut zu ihrem Grab zu gehen. Ich bin eine schlechte Tochter“, meinte ich immer noch unter Tränen. „Hör mal“, Finn nahm mein Gesicht in seine Hände und wischte mir mit seinen Daumen die salzige Flüssigkeit aus dem Gesicht: „Du warst noch ein Baby. Wie solltest du denn etwas dafür können? Es war bestimmt einfach eine Geburt mit Komplikationen. Dafür kann niemand etwas. Und vor allem nicht du. Da hat mal wieder das grausame Schicksal zugeschlagen und den falschen Menschen erwischt. Du bist nicht die Verantwortliche dafür, okay? Und das mit deinem Vater ist vielleicht nur ein Irrtum. Du solltest mit ihm über die ganze Sache reden. Und wenn du bereit dafür bist, dann ruf mich einfach an und ich gehe mit dir zum Grab von ihr.“ Diese Worte beruhigten mich wirklich ungemein und ich wurde schon gleich viel ruhiger. „Danke“, entgegnete ich mit einem schwachen Lächeln. „Wofür? Dafür, dass ich dir die Wahrheit erzählt habe?“ Wieder nahm er mich in den Arm und hielt mich einfach nur fest. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich eine Schulter, an der ich mich anlehnen und ausweinen konnte.

Nach einigen Minuten, in denen wir einfach so dar gesessen hatten, legte sich Finn schließlich hin und breitete seine Arme aus. „Komm her“, sagte er sanft. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und kuschelte mich in seinen Arm. Beruhigend malte er mit seinem Daumen Muster auf meinen Arm. Ich fühlte mich definitiv wohl und geborgen – daran gab es keinen Zweifel.

Obwohl ich versuchte mich dagegen zu währen, fielen mir langsam aber sicher die Augen zu. Ich hatte in dem Moment einfach keine Lust aufzustehen, denn das würde bedeuten, dass ich mich von Finn entfernen musste, weshalb ich einfach seelenruhig liegen blieb. Und dann – ganz plötzlich - schlossen sich meine Augen vollkommen und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.

*

Als ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich verschlafen auf die Uhr meines Handys. „Oh mein Gott“, entfuhr es mir geschockt. „Mist“, fluchte ich und stand hektisch auf. „Was ist los?“, fragte mich Finn und rieb sich seine Augen. Er schien wohl ebenfalls eingeschlafen zu sein. „Es ist schon kurz vor Mitternacht und ich muss noch für die Klausur morgen lernen. Mein Vater wird mich umbringen“, erklärte ich verzweifelt. „Okay, ich bring dich noch nach Hause.“ „Nein, dann müsstest du ja alleine im dunklen wieder hierher zurück“, meinte ich und war schon auf der Treppe. Finn lief mir hinterher. „Das ist egal. Ich glaube man würde eher dich als mich entführen. Ich würde dich niemals so spät alleine nach Hause gehen lassen.“ Dankend lächelte ich ihm zu während ich mir meine Schuhe anzog und mir meine Tasche schnappte. Ich wusste, dass es jetzt nur Zeitverschwendung wäre, wenn ich mit ihm diskutieren würde.

Fast den ganzen Weg zu mir joggten wir.
Als wir dann endlich in meine Straße einbogen, war ich mehr als erleichtert endlich mein Haus zu sehen. Das würde noch eine sehr lange Nacht werden.
„Danke – für alles“, sagte ich, drückte Finn noch einen schnellen Kuss auf die Wange und verschwand dann so leise wie möglich im Haus. Ich hoffte wirklich inständig, dass mein Vater nicht zu Hause war. Er war doch auch sonst nie da und ich konnte doch wenigstens ein einziges Mal Glück haben oder? Hatte ich das nicht auch einmal verdient? Anscheinend nicht, denn plötzlich ging das Licht an und vor mir stand kein geringerer als mein Vater, der seine Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Wo bist du so spät noch gewesen? Wenn ich mich richtig entsinnen kann, hast du morgen eine Prüfung, nicht wahr?“, fragte mich mein Vater zornig. „Ich... ich war bei Mona.“ Ich benutzte meine alte Freundin immer als Ausrede. Wobei wir seit Langem schon nicht mehr befreundet waren. Sie kam aus gehobenen Kreisen, doch ich gehörte da einfach nicht hin und fühlte mich dort nicht wohl. „Und habt ihr wenigstens gelernt?“, durchlöcherte mich mein Vater weiter. „Ähm... ja – also nein. Um ehrlich zu sein war ich gar nicht bei Mona“, meinte ich taff. Ich wollte mich nicht mehr von meinem Vater unterkriegen lassen. Ich wollte mich nicht wie eine Marionette behandeln lassen und ich wollte auch nicht die perfekte Tochter spielen, denn das war ich ganz und gar nicht. „Was hast du da gesagt?“, fragte mich mein Gegenüber, welcher immer und immer saurer wurde. Was ich im nächsten Augenblick sagte, hätte ich niemals geglaubt. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich mich meinem Vater mal stellen würde, doch es fühlte sich unglaublich gut an ihm meine Meinung an den Kopf zu werfen. Allein die Tatsache, dass er auf mich gewartet hatte nur um zu wissen, ob ich gelernt hatte, trieb mich zur Weißglut. Er hatte sich nicht einmal Sorgen um mich gemacht. Er hatte sich nicht gefragt, ob mir in der Dunkelheit vielleicht etwas zu gestoßen sein könnte. „Ich war nicht bei Mona und ich habe auch nicht gelernt. Ich war bei einem Freund. Und um ehrlich zu sein hatte ich auch gar keine Lust zum Lernen. Wieso sollte ich auch? Na klar ein guter Abschluss ist wichtig, aber ich will nun mal keine Ärztin und erst recht keine Anwältin werden. Und ich mach das auch nicht mehr länger mit. Ich werde dir nicht die Träume, die du selbst nicht ausleben konntest, erfüllen. Und außerdem hasse ich den Namen 'Caitlin'. Er kling so furchtbar spießig und...“ Doch weiter kam ich nicht, denn urplötzlich erklang ein dumpfer Schlag. Mein Vater hatte mir tatsächlich eine Ohrfeige erteilt. Mein eigener Vater hatte mich geschlagen. Geschockt hielt ich mir meine Wange. Der Schmerz trieb mir auf der Stelle Tränen in die Augen. Zuerst konnte ich nicht wirklich realisieren was da gerade passiert war, doch dann rannte ich ohne zu zögern nach oben in mein Zimmer, wo ich mir eine Tasche schnappte und ein paar Anziehsachen und allgemein wichtige Dinge hineinstopfte. Ich lief die Treppe wieder runter, wo immer noch mein Vater mit weit aufgerissenen Augen stand. Er schien nicht mehr in der Lage dazu zu sein sich zu bewegen. In seinen Augen glänzten Tränen. „Caitlin, bitte warte“, rief er, als ich aus dem Haus lief. „Komm zurück, Caitlin. Es tut mir Leid... Caitlin!“ Das war das Letzte, was ich von ihm hörte.

Meine Beine trugen mich wie von alleine die Straßen entlang. Immer und immer wieder bahnten sich neue Tränen ihren Weg über meine Wange, welche immer noch von einem höllischen Schmerz durchzogen wurde. Wie hatte er mich nur schlagen können? Ich war seine Tochter und hatte ihm doch nur die Wahrheit erzählt oder? Hatte ich vielleicht doch das Falsche getan? War ich zu grob gewesen oder hatte eigentlich mein Vater den Fehler begangen?

Ich wusste nicht, wie ich hierhin gekommen war, doch plötzlich stand ich vor seiner Haustür. Meine Füße hatten mich einfach hierher getragen – wie von selbst. Zögerlich betätigte ich die Klingel. Aber schon im nächsten Moment bereute ich es, da mir auffiel, dass es ja schon total spät war und wahrscheinlich schon alle schliefen. Doch anscheinend lag ich da falsch, denn hinter der Tür vernahm ich Geräusche. Diese wurde schon kurze Zeit später von Finn aufgerissen. „Hey. Kann ich vielleicht für eine Nacht hier bleiben?“

------------------------------------------------------------------------------------------
So, hier ist das neue Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch! :)
Ich habe mich dazu entschieden vorerst nichts an der Story zu verändern, da ich so viele liebe Kommentare von euch erhalten habe. Wenn mir dann irgendwann mal ganz am Ende der Geschichte etwas nicht gefällt, kann ich es ja immer noch bearbeiten. :)
Über ein paar Kommentare würde ich mich sehr freuen! :D
Lg. Janina♥

4 Kommentare:

  1. Soo super geil wie immer

    AntwortenLöschen
  2. JAAA! Es gibt nur ien Wort für diese Geschichte, also auch für dieses kapitel: PERFEKT!!!

    AntwortenLöschen
  3. Die Geschichte ist soooo gut!! Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel :)

    AntwortenLöschen