Cait
„Was?
Ähm... das... tut mir Leid. Hätte... hätte ich das gewusst, hätte
ich das bestimmt nicht gefragt.“ „Ist schon in Ordnung. Es ist ja
nicht deine Schuld. Es ist meine.“ Bei diesem Satz spürte ich, wie
sich Tränen in meinen Augen sammelten. „Wieso sagst du denn
sowas?“ „Es... ich... also sie ist bei meiner Geburt gestorben.
Ich habe schon mein Leben lang deswegen Schuldgefühle. Wäre ich
nicht gewesen, dann wäre meine Mutter auch nicht gestorben.
Verstehst du? Ich bin daran Schuld.“ Meine Tränen konnte ich nun
wirklich nicht mehr zurückhalten, doch ich gab mir auch gar keine
Mühe. Ich trug diese Gefühle schon 17 Jahre lang mit mir herum und
irgendwann musste ich sie schließlich rauslassen. „Es ist alles
gut. Das ist nicht deine Schuld, hörst du? Du kannst dafür nichts“,
versuchte Finn mich zu beruhigen, während er mich in den Arm nahm
und mir in regelmäßigen Abständen über den Rücken strich. Ich
lehnte mich an seine Brust und ließ meinen Tränen freien Lauf.
„Mein Vater glaubt sogar, dass ich dafür verantwortlich bin. Wieso
sollte er mich sonst so vernachlässigen? Ich habe mich bis heute
nicht einmal getraut zu ihrem Grab zu gehen. Ich bin eine schlechte
Tochter“, meinte ich immer noch unter Tränen. „Hör mal“, Finn
nahm mein Gesicht in seine Hände und wischte mir mit seinen Daumen
die salzige Flüssigkeit aus dem Gesicht: „Du warst noch ein Baby.
Wie solltest du denn etwas dafür können? Es war bestimmt einfach
eine Geburt mit Komplikationen. Dafür kann niemand etwas. Und vor
allem nicht du. Da hat mal wieder das grausame Schicksal zugeschlagen
und den falschen Menschen erwischt. Du bist nicht die Verantwortliche
dafür, okay? Und das mit deinem Vater ist vielleicht nur ein Irrtum.
Du solltest mit ihm über die ganze Sache reden. Und wenn du bereit
dafür bist, dann ruf mich einfach an und ich gehe mit dir zum Grab
von ihr.“ Diese Worte beruhigten mich wirklich ungemein und ich
wurde schon gleich viel ruhiger. „Danke“, entgegnete ich mit
einem schwachen Lächeln. „Wofür? Dafür, dass ich dir die
Wahrheit erzählt habe?“ Wieder nahm er mich in den Arm und hielt
mich einfach nur fest. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich eine
Schulter, an der ich mich anlehnen und ausweinen konnte.
Nach
einigen Minuten, in denen wir einfach so dar gesessen hatten, legte
sich Finn schließlich hin und breitete seine Arme aus. „Komm her“,
sagte er sanft. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und kuschelte
mich in seinen Arm. Beruhigend malte er mit seinem Daumen Muster auf
meinen Arm. Ich fühlte mich definitiv wohl und geborgen – daran
gab es keinen Zweifel.
Obwohl
ich versuchte mich dagegen zu währen, fielen mir langsam aber sicher
die Augen zu. Ich hatte in dem Moment einfach keine Lust aufzustehen,
denn das würde bedeuten, dass ich mich von Finn entfernen musste,
weshalb ich einfach seelenruhig liegen blieb. Und dann – ganz
plötzlich - schlossen sich meine Augen vollkommen und ich fiel in
einen traumlosen Schlaf.
*
Als
ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich verschlafen auf die Uhr
meines Handys. „Oh mein Gott“, entfuhr es mir geschockt. „Mist“,
fluchte ich und stand hektisch auf. „Was ist los?“, fragte mich
Finn und rieb sich seine Augen. Er schien wohl ebenfalls
eingeschlafen zu sein. „Es ist schon kurz vor Mitternacht und ich
muss noch für die Klausur morgen lernen. Mein Vater wird mich
umbringen“, erklärte ich verzweifelt. „Okay, ich bring dich noch
nach Hause.“ „Nein, dann müsstest du ja alleine im dunklen
wieder hierher zurück“, meinte ich und war schon auf der Treppe.
Finn lief mir hinterher. „Das ist egal. Ich glaube man würde eher
dich als mich entführen. Ich würde dich niemals so spät alleine
nach Hause gehen lassen.“ Dankend lächelte ich ihm zu während ich
mir meine Schuhe anzog und mir meine Tasche schnappte. Ich wusste,
dass es jetzt nur Zeitverschwendung wäre, wenn ich mit ihm
diskutieren würde.
Fast
den ganzen Weg zu mir joggten wir.
Als
wir dann endlich in meine Straße einbogen, war ich mehr als
erleichtert endlich mein Haus zu sehen. Das würde noch eine sehr
lange Nacht werden.
„Danke
– für alles“, sagte ich, drückte Finn noch einen schnellen Kuss
auf die Wange und verschwand dann so leise wie möglich im Haus. Ich
hoffte wirklich inständig, dass mein Vater nicht zu Hause war. Er
war doch auch sonst nie da und ich konnte doch wenigstens ein
einziges Mal Glück haben oder? Hatte ich das nicht auch einmal
verdient? Anscheinend nicht, denn plötzlich ging das Licht an und
vor mir stand kein geringerer als mein Vater, der seine Arme vor der
Brust verschränkt hatte. „Wo bist du so spät noch gewesen? Wenn
ich mich richtig entsinnen kann, hast du morgen eine Prüfung, nicht
wahr?“, fragte mich mein Vater zornig. „Ich... ich war bei Mona.“
Ich benutzte meine alte Freundin immer als Ausrede. Wobei wir seit
Langem schon nicht mehr befreundet waren. Sie kam aus gehobenen
Kreisen, doch ich gehörte da einfach nicht hin und fühlte mich dort
nicht wohl. „Und habt ihr wenigstens gelernt?“, durchlöcherte
mich mein Vater weiter. „Ähm... ja – also nein. Um ehrlich zu
sein war ich gar nicht bei Mona“, meinte ich taff. Ich wollte mich
nicht mehr von meinem Vater unterkriegen lassen. Ich wollte mich
nicht wie eine Marionette behandeln lassen und ich wollte auch nicht
die perfekte Tochter spielen, denn das war ich ganz und gar nicht.
„Was hast du da gesagt?“, fragte mich mein Gegenüber, welcher
immer und immer saurer wurde. Was ich im nächsten Augenblick sagte,
hätte ich niemals geglaubt. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich
mich meinem Vater mal stellen würde, doch es fühlte sich
unglaublich gut an ihm meine Meinung an den Kopf zu werfen. Allein
die Tatsache, dass er auf mich gewartet hatte nur um zu wissen, ob
ich gelernt hatte, trieb mich zur Weißglut. Er hatte sich nicht
einmal Sorgen um mich gemacht. Er hatte sich nicht gefragt, ob mir in
der Dunkelheit vielleicht etwas zu gestoßen sein könnte. „Ich war
nicht bei Mona und ich habe auch nicht gelernt. Ich war bei einem
Freund. Und um ehrlich zu sein hatte ich auch gar keine Lust zum
Lernen. Wieso sollte ich auch? Na klar ein guter Abschluss ist
wichtig, aber ich will nun mal keine Ärztin und erst recht keine
Anwältin werden. Und ich mach das auch nicht mehr länger mit. Ich
werde dir nicht die Träume, die du selbst nicht ausleben konntest,
erfüllen. Und außerdem hasse ich den Namen 'Caitlin'. Er kling so
furchtbar spießig und...“ Doch weiter kam ich nicht, denn
urplötzlich erklang ein dumpfer Schlag. Mein Vater hatte mir
tatsächlich eine Ohrfeige erteilt. Mein eigener Vater hatte mich
geschlagen. Geschockt hielt ich mir meine Wange. Der Schmerz trieb
mir auf der Stelle Tränen in die Augen. Zuerst konnte ich nicht
wirklich realisieren was da gerade passiert war, doch dann rannte ich
ohne zu zögern nach oben in mein Zimmer, wo ich mir eine Tasche
schnappte und ein paar Anziehsachen und allgemein wichtige Dinge
hineinstopfte. Ich lief die Treppe wieder runter, wo immer noch mein
Vater mit weit aufgerissenen Augen stand. Er schien nicht mehr in der
Lage dazu zu sein sich zu bewegen. In seinen Augen glänzten Tränen.
„Caitlin, bitte warte“, rief er, als ich aus dem Haus lief. „Komm
zurück, Caitlin. Es tut mir Leid... Caitlin!“ Das war das Letzte,
was ich von ihm hörte.
Meine
Beine trugen mich wie von alleine die Straßen entlang. Immer und
immer wieder bahnten sich neue Tränen ihren Weg über meine Wange,
welche immer noch von einem höllischen Schmerz durchzogen wurde. Wie
hatte er mich nur schlagen können? Ich war seine Tochter und hatte
ihm doch nur die Wahrheit erzählt oder? Hatte ich vielleicht doch
das Falsche getan? War ich zu grob gewesen oder hatte eigentlich mein
Vater den Fehler begangen?
Ich
wusste nicht, wie ich hierhin gekommen war, doch plötzlich stand ich
vor seiner Haustür. Meine Füße hatten mich einfach hierher
getragen – wie von selbst. Zögerlich betätigte ich die Klingel.
Aber schon im nächsten Moment bereute ich es, da mir auffiel, dass
es ja schon total spät war und wahrscheinlich schon alle schliefen.
Doch anscheinend lag ich da falsch, denn hinter der Tür vernahm ich
Geräusche. Diese wurde schon kurze Zeit später von Finn
aufgerissen. „Hey. Kann ich vielleicht für eine Nacht hier
bleiben?“
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So, hier ist das neue Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch! :)
Ich habe mich dazu entschieden vorerst nichts an der Story zu verändern, da ich so viele liebe Kommentare von euch erhalten habe. Wenn mir dann irgendwann mal ganz am Ende der Geschichte etwas nicht gefällt, kann ich es ja immer noch bearbeiten. :)
Über ein paar Kommentare würde ich mich sehr freuen! :D
Ich habe mich dazu entschieden vorerst nichts an der Story zu verändern, da ich so viele liebe Kommentare von euch erhalten habe. Wenn mir dann irgendwann mal ganz am Ende der Geschichte etwas nicht gefällt, kann ich es ja immer noch bearbeiten. :)
Über ein paar Kommentare würde ich mich sehr freuen! :D
Lg. Janina♥
Soo super geil wie immer
AntwortenLöschenJAAA! Es gibt nur ien Wort für diese Geschichte, also auch für dieses kapitel: PERFEKT!!!
AntwortenLöschenvoll schön :) ♡
AntwortenLöschenDie Geschichte ist soooo gut!! Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel :)
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